







Es ist schon ein besonderes Erlebnis, Indien auf Schienen zu durchqueren. Natürlich geht das bei einer Reise nicht, aber die Strecke von Delhi nach Mumbai ist sicher eine der interessantesten. Denn am Weg liegen wichtige Sehenswürdigkeiten wie das Taj Mahal, die rosarote Stadt Jaipur oder die Höhlen von Ellora.
Mit Qatar Airways waren wir über Doha nach Delhi geflogen. Hier hatten wir Zeit für Sightseeing mit einem Führer - das gehört zum Reisepaket des Deccan Odyssey, mit dem wir von Delhi nach Mumbai reisen wollten. Die 22-Millionen-Stadt Delhi entpuppte sich als Verkehrshölle, so dass wir zu tun hatten, das zu sehen, was auf dem Tagesprogramm stand. Zuerst den Qutur Komplex mit einem der höchsten Minarette der islamischen Welt (stolze 75 Meter hoch). Mehr als 10 000 Menschen seien ab 1192 an dem Bau beteiligt gewesen, erzählt unser Guide. Wir schlendern durch den Komplex, bewundern die Säulen und die Grabmäler und genießen die für Delhi ungewohnte Ruhe. In der Jama Moschee muss ich eine Art Tschador überziehen, obwohl ich nicht aufreizend gekleidet bin. Ich war ja schon öfter in Indien und habe weder kurze Hosen, noch ausgeschnittene Kleider im Gepäck. Für eine Besteigung des Turmes reicht die Zeit leider nicht. Der Ausblick wäre sicher grandios. Aber wir wollen noch zum Sikh-Tempel von Gurudwara Bangla Sahib, wo die Gläubigen aus einem Teich heiliges Wasser schöpfen und freiwillige Helfer in einer düsteren Küche in gigantischen Kesseln rühren. Hier kann jeder essen, der herkommt: Arme und Reiche, Touristen und Obdachlose, Gläubige und Ungläubige. Besucher müssen ihren Kopf bedecken und die Schuhe ausziehen. Leider drängt die Zeit, wir wollen nicht zu spät kommen zu unserem Zug, der eine Woche lang unser Hotel auf Schienen sein wird.
Irgendwie ist es wie mit dem Zauberteppich. Man fährt am Abend los und ist beim Aufwachen an einem ganz anderen Ort: Der Ranthampore National Park wartet auf uns, im Bahnhof werden wir von einem Empfangskomitee begrüßt, Oben-Ohne-Busse stehen schon bereit. Es geht in ein Vorzeige-Dorf, wo uns der Führer von den milden Gaben der Regierung vorschwärmt, Toiletten etwa, und wir durch lehmige Gassen an winzigen Häusern vorbei zu einer Art Freiluft-Atelier wandern. Hier können wir Bilder von den Künstlern des Dorfes erwerben oder auch kleine Schmuckstücke. Unser Besuch soll den Leuten ja auch etwas bringen. Allzu nahe kommen wir ihrem Alltag nicht, neugierig sind vor allem die Kinder. Nach dem Lunch im Zug geht's dann auf Tiger-Safari. 70 Tiger sollen in dem Reservat wieder leben, aber wir bekommen leider keinen einzigen zu Gesicht. Trotzdem lohnt sich die Fahrt, die Landschaft ist traumhaft, ein paar Affen ziehen eine Show ab, Axis-Hirsche äsen friedlich im sonnengelben Gras, uralte Banyan-Bäume haben so viele Luftwurzeln versenkt, dass sie leicht die Größe einer Luxus-Wohnung erreichen. In einem malerischen See thront auf einer kleinen Insel das ehemalige Jagdhaus der Maharajas. Der Guide erzählt von der ältesten (und bekanntesten) Tigerin, die vor zwei Jahren gestorben ist und 20 Jahre alt wurde. Ihre Nachfolge habe die viereinhalb-jährige Enkelin angetreten. Doch auch sie lässt sich nicht blicken. Wir hätten gerne auf den High Tea in der Sawai Madhopur Lodge, auch sie ein Jagdhaus der Maharajas verzichtet - zu Gunsten der Tiger. Doch das lässt das Tagesprogramm nicht zu.
Natürlich muss es das Taj Mahal sein, wenn man schon mal in Agra ist. Von weitem wirkt dieses legendäre Denkmal einer großen Liebe wie ein Traum, doch je näher man ihm kommt, desto mehr wuselt es von Touristen. Overtourism ist hier an der Tagesordnung. Besonders eifrig fotografiert wird an einer Bank, hier soll Lady Di sich fotografieren haben lassen - und gefühlt Tausende machen es ihr nach. Nach der drangvollen Enge im Mausoleum, wo die Besucher die - falschen - Sarkophage umrunden können, atmen wir draußen auf. Die echten Särge von Mumtaz, für die Shah Jahan das Mausoleum errichten ließ, und dem Großmogul selbst stehen übrigens im Untergrund und sind nicht zu besichtigen. So bleibt das Liebespaar von dem Rummel verschont. Wir fahren weiter zu einem fast ebenso schönen Gebäude, das ganz zu Unrecht den Namen Baby Taj trägt, dem Itimad-ud-Daula-Mausoleum, das Nur Jahan, die Hauptfrau des Mogulherrschers Jahangir, für ihre Eltern errichten ließ. Hier haben wir Muße, die zauberhaften Details zu bewundern. Denn im Gegensatz zum Taj Mahal treten sich hier die Touristen nicht gegenseitig auf die Füße. Auch im Agra Fort lohnt es sich, Zeit einzuplanen. Von hier aus haben drei Generationen von Mogul Herrschern regiert. Zum Abschluss des Tages noch ein Besuch in einem Betrieb, in dem nach alter Tradition Marmorintarsien hergestellt werden. Eine Fitzelarbeit, für die es gute Augen und flinke Hände braucht. Bei der Rückkehr zum Zug sind die Tische im Restaurant schon gedeckt.
Wieder ein Empfangskomitee am Zug, farbenprächtig. Wir sind ja in Rajasthan und werden gleich nach Jaipur fahren, in die rosarote Stadt. Auch hier ist der Verkehr mörderisch. Wir kommen kaum voran und haben gerade mal Zeit, den prächtigen Palast der Winde zu fotografieren. Dann geht's schon weiter zu Besichtigung des Stadtpalasts, wo wir in einen Filmdreh stolpern. Auch mal spannend. Ich darf mit einem der Statisten posieren. Aber leider können wir wegen des Drehs die schöne Versammlungshalle nicht sehen. Es hat halt alles zwei Seiten. Das astronomische Observatorium ist für mich immer wieder faszinierend. Allein die Architektur der riesigen Sonnenuhren! Ich verstehe zwar wenig von der Astronomie, aber ich könnte hier stundenlang verweilen. Doch wir sind ja nicht allein unterwegs. Mittagessen ist im Rambagh Palace geplant. Hier habe ich schon mal gewohnt und fühle mich gleich wie zuhause. Nachmittags karrt uns der Bus zuerst zu einem Großjuwelier. Das brauchen wir nicht. Wir würden lieber durch Jaipur schlendern und in kleine Lädchen schauen. Eines entdecken wir in der Nähe, und der Besitzer freut sich, dass wir ihn gefunden haben. Der spätere Nachmittag gehört Amber Fort. Es ist noch so schön wie ich es in Erinnerung habe, aber die Zeit reicht wieder einmal nicht, um alles anzuschauen, weil schon wieder eine Verkaufsveranstaltung droht. Erst hinterher, als es schon dunkel wird, haben wir noch Zeit für Jaipurs Markt. Ein Besuch im Eiltempo, bei dem mir die Lust fehlt, etwas zu kaufen. Ich will ja den Anschluss an die Gruppe nicht verlieren und womöglich den Bus nicht wieder finden...
Udaipur ist zwar kleiner als Jaipur, aber hier befindet sich der größte Palastkomplex in ganz Rajasthan. Hier braucht es viel Zeit, um all die Säle, die Dekorationen, die Sammlungen zu sehen und zu würdigen. Mir hätte ein Blick auf die Kristallgalerie genügt, aber der Führer wollte die ganze Sammlung zeigen, darunter auch eingestaubte Gläser wie sie auch bei uns im Schrank stehen. Trotzdem, dieser Palast erinnert mit seinen glitzernden und farbigen Dekorationen, den Kuppeln und Wandmalereien an 1001 Nacht. Unglaublich, dass im Garten des vierten Stocks noch Bäume wachsen. Der Ausblick auf den künstlichen See ist fast ebenso malerisch wie so manches Gemälde im Palast. Mit einer Fähre setzen wir mittags zum Jagmandir Palast über, wo wir exquisit speisen. Am Nachmittag lässt sich wohl der Besuch einer Kunstschule mit angeschlossenem Laden nicht vermeiden. Aber dann haben wir doch noch Zeit für den Gemüse- und den Obstmarkt und ein paar kleine Läden, ehe es mit dem Bus zurück zu unserem Zug-Hotel geht. Eine Dusche muss sein vor dem Dinner.
Zum Frühstück sind wir im Bahnhof von Vadodara im indischen Bundesstaat Gujarat. Hier warten schon wieder die Busse. Die Fahrt zum archäologischen Park von Champaner-Pavagadh zieht sich. Aber sie lohnt sich. Wir sehen zwei sehr bemerkenswerte Moscheen, die allerdings nicht mehr in Betrieb sind. Es ist ein ruhiges Areal mit beeindruckender Architektur, einem Mix aus hinduistischen und islamischen Elementen. Schön, zwischendurch mal alleine und ohne Rummel durch die Säulenhallen zu wandern und den Blick schweifen zu lassen. Nach der Rückkehr wartet im Zug schon ein feiner Lunch. Am Nachmittag steht dann der pompöse Laxmi Vilas Palast auf dem Programm, vier Mal so groß wie der Buckingham Palast. Wir lassen uns durch die Kunstsammlung des Maharajas führen und haben dann Tee in der Versammlungshalle mit einem traditionellen Tanzprogramm. Ich lasse mir ein Henna-Tattoo in die Handfläche machen. Bin gespannt, wie lange diese Erinnerung an unsere Indien-Reise anhält. Unser Butler Sanjay erwartet uns schon. Er ist jeden Tag für uns da und sorgt dafür, dass unser Heim auf Schienen tip-top ist. Nach dieser Reise, wenn wir in Mumbai ankommen, wird er nach Kaschmir fahren - zu seiner Familie, wo er endlich sein Baby in die Arme schließen kann.
Und schon sind wir fast am Ende dieser faszinierenden Reise. Aber heute erwartet uns erst einmal ein echter Höhepunkt: Die Ellora Caves, ein von Menschenhand geschaffenes Höhlensystem, das die Baumeister vor Hunderten von Jahren aus dem Berg herausgemeißelt haben. Gefühlt tausende von Buddhas und der halbe indische Götterhimmel sind hier versammelt. Man bräuchte Tage, um jede Einzelheit zu würdigen - und wir haben nur ein paar Stunden. Aber unser Guide macht das Beste draus, zeigt uns die wichtigsten Höhlen und Skulpturen zwischen Höhle 11 und Höhle 16, und nimmt sich am Ende noch Zeit, uns auf einen kleinen Hügel zu begleiten, um den Kailash Tempel von oben zu sehen. Ich bin immer wieder begeistert von dieser großartigen Höhlen-Architektur. Da muss man natürlich auch ein Andenken mitnehmen, sehr zu Freude des Händlers werden es sogar mehrere. Und im Zug erwartet uns dann eine handfeste Überraschung: Zum Abschiedsabend gibt's indische Kleidung für alle und in der Bar Musik und freie Getränke. Da steigt die Stimmung und die Passagiere kommen sich näher. Wäre vielleicht keine schlechte Idee, etwas Ähnliches am ersten Abend zu machen...
Die Lok hat gute Dienste geleistet und uns über Nacht und über holprige Schienenstränge immer brav an unser Ziel gebracht. Mumbai, die riesige Stadt, kündigt sich schon lange an, bevor wir überhaupt die Stadtgrenze erreichen. Beim Frühstück haben wir Gelegenheit, die Slums an den Schienen zu betrachten aber auch die vielen Kräne, die von reger Bautätigkeit künden. Am Horizont wachsen die Wolkenkratzer in den Himmel. Dann sind wir im Bahnhof, und es heißt, Abschied nehmen. Wir haben noch einen Strandurlaub auf Goa vor uns. Aber das ist eine andere Geschichte. Gebucht haben wir das Ganze übrigens über Geoplan. Ein dickes Kompliment an den Veranstalter. Es hat alles geklappt - fast auf die Minute. Und das ist in Indien wirklich eine Seltenheit.